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Der älteste Hass


Man nennt ihn den ältesten Hass und den hartnäckigsten – Antisemitismus. Jedoch gibt es derzeit international positive Bewegungen, um ihn zu bekämpfen.

Man kann zurückblicken bis zum Pharao, der arglistig mit den Juden umgehen wollte, da er sie fürchtete. Er erinnerte sich nicht daran, dass der Jude Josef ganz Ägypten vor einer Hungersnot bewahrte und Gewinne für das Königshaus erzielt hatte. Stattdessen schmiedete der Pharao einen Plan zur Unterdrückung, der in Massenmord ausartete: die Ertränkung aller neugeborenen israelitischen Jungen.

Es hat sich in der gesamten Geschichte ständig wiederholt: Haman, die Römer, die Kreuzritter, die russischen Zaren und Hitler, um nur ein paar unübersehbare zu nennen. Einige Tyrannen versuchen es auch noch heute: die Hamas und Hisballah sowie das Mullah-Regime im Iran.

Wenn ein Freund einen groben Fehler begeht

Nicht alle, die antisemitische Gedanken plappern, sind eingefleischte Antisemiten oder auch nur eine leichte Version davon. Einige bemerken es nicht einmal, wenn sie es tun. Nehmen wir zum Beispiel den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten 2024, Robert F. Kennedy Junior. Er war sich scheinbar der Bedeutung seines Kommentars nicht bewusst, als er andeutete, dass das COVID-19-Virus genetisch so konstruiert war, die Chinesen und aschkenasische (osteuropäische) Juden zu verschonen, was eine Verschwörung nahelegt. Nach der öffentlichen Gegenreaktion verteidigte Kennedy sich selbst als den stärksten Fürsprecher Israels unter allen anderen Kandidaten. Er ist der einzig prominente Demokrat, der sich einem Nuklearabkommen mit dem Iran entgegenstellen konnte, und er hat Israels Anti-Terror-Einsatz in Dschenin stark verteidigt.

Im Mai hörte ich in Paris den bekannten amerikanischen Rabbiner David Wolpe bei einer Konferenz zu internationaler Politik über Antisemitismus sprechen. Er warnte vor voreiligen Anschuldigungen des Antisemitismus und empfahl, zunächst von Ignoranz auszugehen anstatt Vorsatz, es sei denn das Gegenteil sei offensichtlich. Vielleicht trifft das auch in Kennedys Fall zu.

Gelegentlich hörte ich wohlmeinende christliche Freunde und Unterstützer Israels bewundernd sprechen über das sprichwörtliche jüdische Geschick, mit Finanzen umzugehen, sie waren naiv und sich der antisemitischen Geschichte nicht bewusst, Juden mit Geld zu assoziieren. Solch eine Person ist ganz klar kein Antisemit, selbst wenn sie einen problematischen Mythos aufrechterhält. Ein Hasser würde dasselbe sagen, aber härtere Worte verwenden.

Kennedy bedauert vielleicht seine dumme Witzelei, die seine politischen Ambitionen zunichtemachen könnte. Was jedoch schlimmer ist als die persönlichen Konsequenzen für ihn, ist die bedauerliche Tatsache, dass solch unbedachte Bemerkungen die Hasser im Verschwörungslager befeuert. Juden haben in der Geschichte immer wieder einen hohen Preis dafür bezahlt – Massaker, Inquisitionen und Vertreibungen.

Wieder aufgegriffene Verschwörungen

Im Mittelalter wurde behauptet, die Juden vergifteten die Brunnen, verbreiteten die Pest oder aßen Mazzen (ungesäuertes Brot), die mit dem Blut von Christen gebacken wurden. Später verbreiteten Judenhasser wie Henry Ford das russische Werk Die Protokolle der Weisen von Zion, von denen behauptet wird, dass sie das Originaldokument einer tatsächlichen Verschwörung zur jüdischen Weltherrschaft seien. In einigen Ländern ist dieses Werk noch immer ein Bestseller.

Es gibt einen Kader von Pseudo-Historikern, oft mit einer religiösen Neigung, die Bücher und Broschüren herausbringen, die voller Anspielungen sind und nahelegen, dass Juden die Banken, das Weiße Haus, den US-Kongress und sogar den Deutschen Bundestag beherrschen. Sie verfügen nicht über Primärquellen oder seriöse Dokumentationen, um ihre Behauptungen zu untermauern, sondern reine Hypothesen; diese Abhandlungen zitieren sich gegenseitig liberal, um glaubwürdig zu erscheinen.

Diese unaufhaltsamen Verschwörer hecken immer neue Anschuldigungen aus und gehen sogar so weit, zu behaupten, dass Juden die Attentate von 9/11 auf die Twin Towers planten und vermieden, selbst in den Türmen zu sein an jenem Tag gemäß Insiderinformationen.

Einige Tatsachen:

ˑ Während der Pest starben auch viele Juden, die vom selben Bakterium Yersinia pestis getötet wurden, das von Nagetieren mit Flöhen verbreitet wurde und auch Christen tötete. Handwaschungen und Baderituale wie sie das jüdische Religionsgesetz vorschreibt und von denen einige behaupten, dass sie die Juden durch Hygienevorteile schützten, verhindern keine Flohbisse. Flöhe beißen Juden und Christen.

ˑ Die mittelalterlichen Ankläger, die behaupteten, Juden würden das Blut von Christen zu sich nehmen, verunglimpften sie auch, sklavisch gesetzestreu zu sein. In diesem Fall hätten die Christen wissen müssen, dass die Thora – das mosaische Gesetz – den Verzehr von Blut streng verbietet, und zwar jeglichen Blutes (3. Mo. 17, 13-14). In der Tat befolgt jeder jüdische Haushalt mehrere Schritte, um sicher zu stellen, dass sich kein Blut in den Nahrungsmitteln befindet.

ˑ Die Protokolle der Weisen wurden vor langer Zeit als antisemitische Plagiatsfälschung auf der Basis von Maurice Jolys Gespräch in der Unterwelt zwischen Machiavelli und Montesquieu bestätigt, eine politische Satire gegen Napoleon III, erschienen 1864.

ˑ Was 9/11 betrifft, so entsprach die Anzahl der jüdischen Opfer aus den Angriffen auf die Türme in etwa dem Prozentsatz an Juden in der lokalen Bevölkerung.

Gestützt durch den Zugang zu neuen Social-Media-Formaten (E-Mail, Facebook, Twitter/X, YouTube, etc.) können die antijüdischen Verschwörer heutzutage ganz leicht ihre Tiraden und getürkte Geschichten wiederholen und unter ein exponentiell größeres Publikum streuen als jemals zuvor. Wiederholte Lügen werden zu „Fakten“ eine Lektion, die Hitler nur zu gut kannte. Egal, wie absurd sie auch sind, diese Verschwörungstheorien haben Zugkraft, vor allem bei der extremen Rechten.

Der neue Antisemitismus ist ein Antizionismus

Der älteste Hass wird einfach nicht vergehen. Aber er verändert sich. Der neue Antisemitismus ist ein Antizionismus (Antiisraelismus). Und man findet ihn vor allem bei politisch Linken.

Baronin Katharina von Schnurbein, Beauftragte der Europäischen Kommission zur Bekämpfung des Antisemitismus, sagt, man müsse Antisemitismus definieren, um ihn zu bekämpfen. Sie ist eine starke Befürworterin der Arbeitsdefinition von Antisemitismus, der IHRA (International Holocaust Remembrance Alliance). [Zu lang, um hier wiederzugeben, da sie 11 Beispiele von Manifestationen des Antisemitismus enthält; siehe www.holocaustremembrance.com.]

Bemerkenswert ist, dass sieben davon Haltungen gegenüber Israel oder dem jüdischen Recht auf Selbstbestimmung widerspiegeln. Daher fallen BDS-Kampagnen (Boykott, Investitionsstopp und Sanktionen), die Israel isolieren und zerstören wollen, in die Rubrik des Antisemitismus. Dies bedeutet nämlich, bei Israel andere Standards anzuwenden als bei anderen Ländern. Es spiegelt sich aber auch wider in Forderungen, dass Juden kein Recht auf einen Heimatstaat Israel hätten, dass sie Eindringlinge seien. Oder Vergleiche von Israel mit Nazi-Deutschland. Gleichermaßen Vergleiche mit der Apartheid in Südafrika, so wie es Amnesty International im Jahr 2022 tat, sind ebenfalls verwerflich und unzutreffend.

Nationen reagieren

Alle 27 Mitgliedsstaaten der EU haben die Definition gemäß IHRA übernommen, genau wie Australien, Kanada, Großbritannien und die USA. Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate haben ebenfalls diese Definition gestützt. Darüber hinaus verweist von Schnurbein auf die Annahme der Definition seitens aller deutschen Bundesligavereine und zahlreicher Konzerne wie z. B. Lufthansa als einen großen Erfolg im Kampf gegen antijüdischen Hass.

Amnesty International, Human Rights Watch (HRW) und zahlreiche pro-palästinensische Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) starteten Kampagnen gegen die Annahme der IHRA-Definition seitens der UNO und behaupteten, sie würde die Redefreiheit unterdrücken und legitime Kritik an Israels Politik zum Schweigen bringen. Die übermäßige Aufmerksamkeit, die diese angeblichen Menschenrechtsorganisationen auf Israel richten, enthüllt jedoch genau den antisemitischen Charakter eines Großteils ihrer Kritik. Die übermäßige Beschimpfung Israels durch NGOs ist Antisemitismus.

Aber Amnesty International und HRW müssen keine Angst vor einem schrumpfenden Antiisraelismus in der Öffentlichkeit haben. Eine weitreichende Studie von 100 Mio. geposteten Nachrichten auf Twitter/X vom 1. Januar 2020 bis 30. Juni 2022 offenbarte, dass die Wahrscheinlichkeit der Anschuldigung Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben im Falle Israels höher ist als bei jedem anderen Land:
12 x höher als bei China,
38 x höher als beim Iran,
55 x höher als bei Russland und
111 x höher als bei Nordkorea.

Gabriel A. Goldberg und Baronin Katharina von Schnurbein, Beauftragte der Europäischen Kommission zur Bekämpfung des Antisemitismus

Inzwischen vegetieren mehr als eine Million muslimische Uiguren in chinesischen Konzentrationslagern vor sich hin, ohne dass die Welt einschreitet. Noch nicht einmal die Vereinten Nationen, die im Jahr 2022 mehr kritische Beschlüsse gegen Israel fassten als gegen alle anderen Nationen zusammen.

Von Schnurbein sagt, die IHRA-Definition sei nicht rechtlich bindend und behindere nicht die Redefreiheit. Niemand wird deshalb vor Gericht gebracht. Sie öffnet jedoch beide Richtungen und erlaubt es Juden, die sich angegriffen fühlen, endlich das Wort zu erheben und Vorurteile aufzudecken. Ein Hoffnungsschimmer in einem ruchlosen Geschäft und genau das ist es, was Judenhasser fürchten.

Beim Thema Antisemitismus gibt es also wie immer Licht- und Schattenseiten mit guten und schlechten Entwicklungen.

Einige Menschen sind der ständigen Erwähnung von Antisemitismus überdrüssig. Aber die Tatsache, dass viele Regierungen und Organisationen klare Erklärungen abgaben zur Unterstützung der IHRA-Definition betont die Ernsthaftigkeit der Angelegenheit. Falls noch weiterer Beweis notwendig war, so sollte dieser durch die jüngsten Angriffe auf Synagogen mit Schusswaffen und die Notwendigkeit regelmäßiger polizeilicher Bewachung während der Gottesdienste auf der ganzen Welt erbracht sein.

„Keiner Waffe, die gegen dich bereitet wird, soll es gelingen, und jede Zunge, die sich zum Rechtsstreit gegen dich erhebt, sollst du schuldig sprechen. Das ist das Erbteil der Knechte des HERRN, und ihre Gerechtigkeit kommt von mir, spricht der HERR“ (Jes. 54, 17).