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Der weihnachtliche Hinterhalt


Für gläubige Christen ist Weihnachten eine Zeit der Freude und der Verkündigung des Engels: „Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird“ (Luk. 2, 10), welche sich auf Jesu Geburt bezieht. Letzte Weihnachten bedeutete es große Freude für alle, außer Israel. Tatsächlich war es ein weihnachtlicher Hinterhalt.

Anstatt über die große Freude dieser Zeit zu predigen, starteten die Patriarchen und Oberhäupter verschiedener Kirchen in Jerusalem in einer gemeinsamen Erklärung (vom 13.12.21) eine Breitseite gegen Israel, vor allem gegen radikale Gruppierungen, den rechten Flügel, israelische Siedler, von denen sie behaupten, sie würden Christen aus dem Heiligen Land verjagen.

In einem zweiten und dritten Trommelfeuer erschienen weitere Kolumnen in der britischen Presse, Daily Telegraph (am 18.12.21) vom Kustos der römisch-katholischen Kirche für das Heilige Land, Vater Francesco Patton, sowie Sunday Times (am 19.12.21) seitens der Anglikanischen Kirche vom Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, und dem Erzbischof von Jerusalem, Hosam Naoum, die einen „gemeinsamen Versuch zur Einschüchterung und Vertreibung“ von Christen beklagen.

Pattons Artikel erschien unter der reißerischen Überschrift „Christen des Heiligen Landes vom Aussterben bedroht“. Welby und Naoum kritisierten Israels Sicherheitsbarriere, die zum Schutz vor Terroristen errichtet wurde, als eine Art der Isolation von christlichen Dörfern, was dazu führt, dass die Christen wegziehen.

Und auch das christlich-orthodoxe Weihnachten, welches auf den 7. Januar fiel, stellte keine Ausnahme dar, denn der griechisch-orthodoxe Patriarch von Jerusalem, Theophilos III beklagte sich in einem Artikel in Times (am 08.01.22), dass „zionistische Extremisten“ die Anwesenheit der Christen bedrohen.

Dieses Quartett von Angriffen gegen Israel erfolgte genau zu der Zeit, wenn sich die Aufmerksamkeit der Welt nach Bethlehem, Nazareth und das Heilige Land allgemein richtet wegen Weihnachten. Es ist schwer, zu glauben, dass dies nicht eine gemeinsam abgesprochene Aktion war, die auf internationaler Ebene einen maximalen Effekt erzielen sollte. Israels politische und religiöse Oberhäupter reagierten schockiert auf diese weitreichende Kampagne, eine anti-israelische Stimmung anzufachen.

Was ist an den Vorwürfen dran?

Es gibt radikale Juden, denen daran gelegen ist, dass Christen Israel verlassen, weil sie als Bedrohung angesehen werden. Zweitausend Jahre antijüdischer christlicher Geschichte, die oftmals gewalttätig war, kann nicht so leicht ungeschehen gemacht werden. Eine sprichwörtliche Hand voll Juden könnte tatsächlich von diesem Anliegen zur Tat verleitet werden. Jedoch gibt es in Israel Gesetze, welche religiöse Minderheiten beschützen und illegale Drangsalierung bestrafen. Israel setzt seine Gesetze und Strafverfolgung dementsprechend durch.

Auch die Leiter der Haredim (ultra-orthodoxe Juden) haben Statements gegen ausfällige, „unverantwortliche Jugendliche“ veröffentlicht, die sich an schändlichen Taten und Vandalismus gegenüber Anhängern anderer Religionen beteiligen und solch ein Verhalten als Chillul Haschem erklärt – eine Schändung von Gottes Namen. Sie haben Rabbiner, Lehrer und Eltern aufgerufen, darauf zu reagieren und dieses Verhalten zu unterbinden.

In der Realität betrachten die meisten israelischen Juden die Christen und vor allem die Evangelikalen als Freunde, aufgrund von deren Unterstützung für den Staat Israel. Sogar die Haredim sind sich dessen bewusst. Eine zunehmende Anzahl orthodoxer Rabbiner in Israel beteiligt sich an Bemühungen, die christlich-jüdischen Beziehungen zu verbessern und sie beteiligen sich an respektvollen, theologischen Diskussionen und Bildungsforen mit ihren christlichen Pendants. Eine hiesige orthodoxe Institution unterhält sogar ein Programm zur Verteilung von Lebensmittelpaketen an bedürftige arabische Christen in Bethlehem – also im Gebiet der Palästinensischen Autonomiebehörde!

Die Ausrottung ist widerlegt

Aber fliehen Christen tatsächlich aus Israel aufgrund israelischer Bedrohung? Stehen sie wirklich kurz vor dem Aussterben, wie behauptet wird? Zum Leidwesen der vorerwähnten kritischen Kirchenoberhäupter hat die zentrale Statistikbehörde in Israel am 22. Dezember 2021 einen Bericht veröffentlicht, wonach die christliche Gemeinschaft in Israel tatsächlich wächst – um 1,4 % im Jahr 2020 – und 84 % dieser Gemeinschaft sprechen sich zufrieden aus über ihr Leben in Israel.

Der hinterhältige verbale Angriff gegen Israel durch Kirchenoberhäupter erinnert an andere an den Haaren herbeigezogene Anklagen, nämlich die der Apartheid und des Genozids. Anti-israelische Aktivisten und Boykott-Befürworter propagieren diese falschen Anschuldigungen weiterhin, obwohl der Beweis des UN-Index der menschlichen Entwicklung (Lebensqualität) unter den Palästinensern eine höhere Rate ausweist als in den meisten arabischen Staaten und die Bevölkerungszahl rasch ansteigt.

Warum verdrehen Kirchenoberhäupter die Wahrheit?

Die Wahrheit ist, dass Christen tatsächlich vom Aussterben bedroht sind, allerdings nicht in Israel. Im gesamten Nahen Osten, in Afrika und Asien standen Christen in vorwiegend muslimischen Staaten unter Angriff von radikalen Islamisten (manchmal sogar unter „moderaten“ Regimes), vor allem während der letzten 2 Jahrzehnte in Ägypten, Bangladesch, Iran, Irak, Jordanien, Libanon, Nigeria, Sudan, Syrien und anderswo. Große, uralte christliche Gemeinden sind geschrumpft. Tausende von Christen werden jedes Jahr massakriert, vergewaltigt, als Sklaven verkauft und zur Konvertierung zum Islam gezwungen. Kirchen werden zerstört. Millionen von Christen wurden entwurzelt. Kritiker des Regierungskurses werden verhaftet, gefoltert und verschwinden oft komplett. Aber nicht in Israel!

In einem 2019 veröffentlichten Bericht, der vom britischen Außenminister Jeremy Hunt in Auftrag gegeben wurde, wird beschrieben, dass die voranschreitende Verfolgung von Christen weltweit in manchen Fällen sogar bis hin zu Genozid reicht. Der Bericht stellt fest, dass 80 % von verfolgten Gläubigen weltweit Christen sind. So wie Israel von der Vernichtung durch radikale Islamisten bedroht ist, so sind es auch Millionen von Christen in dieser Region.

Die Kirchen (vor allem die römisch-katholische, die koptische und die griechisch-orthodoxe) sowie internationale christliche Organisationen (wie z. B. World Vision), die in Israel oder dem Gebiet der Palästinensischen Autonomiebehörde tätig sind, stehen oft in enger Verbindung mit Arbeitszweigen ihrer Organisation in muslimischen Ländern in der gesamten Region. Ein falsches Wort von einem Kirchenoberhaupt in Jerusalem kann verheerende Auswirkungen auf christliche Minderheiten weiter weg bedeuten.

Israel wird seine christlichen Gemeinden nicht wegen der negativen Kommentare von Kirchenoberhäuptern verfolgen, weder innerhalb noch außerhalb von Israel. Das jahrelange Wachstum christlicher Gemeinden seit 1948 beweist, dass israelische Christen sicher sind. Leider kann man dasselbe nicht behaupten über die Christen im restlichen Teil des Nahen Ostens.

Der schwierige Balanceakt zu überleben, ihre Institutionen und deren Bestandteile oder was davon in dieser Region übrig ist, zu bewahren, bringt einige Kirchenoberhäupter dazu, Israel zu kritisieren. Es ist ein Versuch, sich selbst beliebt zu machen bei jenen, die ihnen das Messer an die Kehle halten, im übertragenen und manchmal auch im konkreten Sinn.

Eine Tradition des Selbsterhalts

Genau das ist während der Schoah, dem Holocaust, geschehen. Viele erkennen das Versagen der Kirchenleitung an, vor allem des Vatikans, bei der Rolle als Gottes moralische Autorität auf Erden, um die Verfolgung der Juden durch die Nazis öffentlich und mit Nachdruck zu verurteilen. Aus Angst vor Repressalien durch die Nazis verzichtete die Kirche auf diese edle Rolle und wurde stattdessen zur „Gesellschaft der Selbsterhaltung“ (Ich vergreife mich hier am Text eines Songs aus den 1960er Jahren). Was wurde aus dem tugendhaften biblischen Prinzip „Du sollst nicht [still] stehen bei dem Blut deines Nächsten“ (3. Mo. 19, 16)?

Die Einzelpersonen und einzelnen Kirchengemeinden, die auf eigenes Risiko Juden retteten, waren leider die Ausnahme von der Norm. Selbsterhalt untergrub die Moral. Generell verhielt sich die Kirche nicht anders als jede andere säkulare Institution.

Beispielsweise berichteten die italienischen Medien am 10. Dezember 2021, dass veröffentlichte Dokumente lange im Raum stehende Behauptungen zu bestätigen scheinen, wonach der frühere Premierminister, Aldo Moro, 1973 einen Vertrag mit den beiden palästinensischen Terrororganisationen PLO und PFLP unterzeichnete. Gemäß des Abkommens ließ die Regierung den Palästinensern freie Hand, jüdische und israelische Ziele in Italien anzugreifen im Austausch gegen Immunität für inländische und ausländische Interessen Italiens.

Als eine Untermauerung dieser Politik verhinderte die italienische Regierung absichtlich nicht den palästinensischen Angriff auf eine Synagoge in Rom 1982, bei dem ein 2-jähriges Kind getötet und 34 Menschen verletzt wurden, obwohl es zuvor geheimdienstliche Erkenntnisse darüber gab. Juden galten nicht als richtige Italiener und wurden daher zu legitimen Zielen, geopfert im Austausch für die Sicherheit Italiens.

Juden wurden leichtfertig geopfert, damit Institutionen, Kirchen und Regierungen überleben oder in Ruhe gelassen werden. Eine Politik auf der Basis von Selbsterhalt ist nichts Neues. Wir gehen davon aus, dass weltliche Institutionen so funktionieren. Unsere Erwartung an religiöse Autoritäten, die einen biblischen Auftrag beanspruchen, und somit nach biblischen Prinzipien handeln sollten, ist höher.

Pastoren liefern Munition für Israels Feinde

Die ungerechten weihnachtlichen Anfeindungen durch die Jerusalemer Kirchenoberhäupter und deren britischen Kollegen opferten Israel. Die falsche Darstellung von Israel als Sündenbock für einen nicht-existenten christlichen Exodus erscheint als ein kleines Opfer für ihre Ziel der Erhaltung der Kirche unter dem Islam. Aber durch den Angriff auf Israel mit hetzerischer Rhetorik wurde enormer Schaden angerichtet. Die Pastoren haben ihre Herde weltweit in die Irre geführt. Schlimmer noch, sie haben alle aufgestachelt, die Israel hassen und Öl ins Feuer gegossen bei den verblendeten Israel-Boykotteuren und Anklägern von Apartheid und Genozid. Sie haben dem christlich-jüdischen Verhältnis sehr geschadet bei ihrem Angriff auf die einzige Demokratie und den sicheren Hafen für Christen in dieser Region.

Gott sei gedankt, gibt es anstatt jener, die ihre heiligen Ämter vergessen haben, andere Christen, die an der Seite Israels stehen, die für Israel beten und es segnen. Das sind diejenigen, die Segen empfangen werden vom wahrhaftigen Bewahrer von Frieden und Sicherheit.