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Kenne Deine Getreuen


Wenn ein Mensch eine Spende opfert, um durch die Wirkungsbereiche von LEMA’AN ZION Israel zu segnen, leistet er einen Teil seiner Arbeitskraft, Lebenszeit – nämlich seines Lebens! Er gibt damit natürlich auch an Gott zurück, denn es heißt: „[Gott] er ist es, der dir Kraft gibt, Vermögen zu schaffen“ (5. Mo. 8, 18).

Der Spender sollte auch über uns als Verwalter und Auftragsausführende etwas wissen. Das gehört zum gegenseitigen Vertrauen.

Über mich wissen wohl die meisten unserer Freunde Wesentliches. Als das Nazi-Mordunheil über unsere Familie im damals deutsch-polnischen Korridor kam, wurde ich Zeuge der Ermordung meines Vaters. Ich war als 9-jähriges Kind namentlich genannt, auch von der SS erschossen zu werden. Gott rettete mich in einem Moment. Und diese Sekunden führten dazu, dass ich IHM noch heute als 90-Jähriger international treu diene. Bei diesem Positivum bleibe ich.

Gewehr angelegt: Lauf!

Aber da war noch mein älterer Bruder Josef. Unser Erlebnis erinnert an eine Bibelgeschichte, wie es bei so vielen von uns Juden ist. Hier einige Punkte.

Als die Nazis 1939 Polen okkupierten, begab Josef sich auf die Flucht. Er verbarg sich einige Tage im Walde. Dann wollte er die Grenze nach Russland überqueren.

Eines Nachts im entscheidenden Augenblick stand plötzlich ein deutscher Soldat vor ihm mit angelegtem Gewehr. Der Soldat fragte: „Jude?“ Josef sah seinen Todesmoment und antwortete wahrheitsgetreu: „Ja, Jude!“ Der Soldat kam näher und sagte, in Richtung Grenze weisend, „Lauf!“ Josef ging ein paar Schritte und drehte sich um, meinend von hinten erschossen zu werden. Der Soldat noch einmal: „Lauf!“ Das war damals Josefs erste Begegnung mit der deutschen Wehrmacht.

In Russland angekommen, wurde Josef interniert. Stalin und Hitler hatten ja einen Pakt. Der hatte seine Auswirkung bis 1941, als die Nazis Russland angriffen. Nach seiner Freilassung wurde Josef von den Russen gedrängt, der Sowjetarmee beizutreten. Josef lehnte ab und erkundigte sich über die Möglichkeit, zur polnischen Exilarmee zu kommen, der sogenannten General Anders-Armee. So wurde es dann auch.

Sei getreu!

General Anders in Monte Cassino, Italien, bei einer Ehrenbezeugung für seine gefallenen jüdischen Soldaten der polnischen Armee.

Als Soldat der Anders-Armee kam er in den Nahen Osten. Zur selben Zeit ging es im damals sogenannten Palästina um die israelische Staatsgründung. Viele jüdische Zugehörige dieser polnischen Armee besuchten Verwandte oder Bekannte im Mandatsgebiet Palästina. Josef reiste auch hin. Freunde versuchten, ihn zum Verbleiben zu überreden. Jemand hatte sogar sein Käppi und Koppel entwendet und prophezeite ihm, dass er von seiner Armee bestraft werden würde. Aber Josef bestand darauf, ordnungsgemäß zu seiner Kompanie zurückzukehren.

Also erschien Josef vor seinen polnischen Offizieren und bat um offizielle Entlassung. Ihm wurde gesagt: „Goldberg, du bist der erste Soldat, der eine ordnungsgemäße Entlassung wünscht, andere blieben einfach ganz fort.“ Josef wurde befördert, mit Auszeichnung belohnt und mit besten Papieren entlassen.

Dann reiste er sofort nach Palästina (Israel!). Hier beteiligte er sich an der Verteidigung und beim Wiederaufbau unseres alten Vaterlands. Er heiratete „und Josef wurden zwei Söhne geboren“ (wie in 1. Mo. 41, 50). Sie selbst und danach auch ihre Kinder wurden alle israelische Soldaten, auch dienen sie der Menschheit als Anwälte im Rechtswesen und in medizinischen Berufen. Gott hatte Josef für einen guten Zweck am Leben erhalten.

Ich bin Josef

Ich wusste nicht, dass mein Bruder Josef noch lebte, ich konnte es mir einfach nicht vorstellen. Meine 2 älteren Schwestern waren ja im Ghetto wörtlich verhungert, andere erschossen.
Aus Deutschland ausgewandert, wohnte ich eine Zeit lang in Chicago, dann in England, in Kanada, Kalifornien, bevor ich schließlich nach Israel heimkam.

Eines Tages 1962 erhielt ich in Amerika einen Brief aus Israel. Und hier ist wieder der bibelähnliche Teil: „Mein Name ist Josef Goldberg, bin ich vielleicht Ihr Bruder? Lebt mein Vater noch?“ Da musste ich an den Josef in der Bibel denken, der sich seinen Brüdern zu erkennen gab und nach dem Leben seines Vaters fragte (45, 3). Selbst die Zeit unserer Trennung von 23 Jahren war wie in der Bibel.

In darauffolgender Korrespondenz berichtete mein Bruder mir, wie er beim Roten Kreuz und anderen Organisationen erfolglos Suchaktionen veranlasst hatte. Schließlich kam ihm dann der Gedanke, direkt an die Bundesregierung Deutschland (damals) in Bonn zu schreiben.

Aus Bonn bekam er schnelle Antwort. Sie wussten zu berichten, dass ein Herbert H. Goldberg –ursprünglich aus Polen und international im Bankfach tätig – nach den USA ausgewandert war. Die genaue Anschrift wurde Josef mitgeteilt mit vielen guten Wünschen. (Solches war möglich infolge der in Deutschland üblichen Anmelde- und Abmeldepflicht.)

Gott hat uns nicht alleine gelassen

Nicht lange danach stellten wir einander unsere neuen Familien vor. Wir sprachen auch von unsern Angehörigen, die uns in die Ewigkeit vorangegangen waren.

Josef hatte 2 Bemerkungen über Deutschland für mich: Erstens, warum jener Soldat ihm sozusagen über die Grenze geholfen hat? Nachdem Josef mir erzählte, dass es sich um einen älteren Mann handelte, spekulierte ich, dass er vielleicht zu Hause einen jungen Sohn hatte, der so alt wie Josef war, dass er deshalb mitfühlend war.

Die zweite Beachtung war der Brief aus Bonn. Die Mitteilung von meiner Adresse war ganz einfach und sachgemäß, schlicht in 2 Sätzen. Danach folgte eine fast liebevolle Beratung, dass Josef nicht zu traurig sein möge, wenn ich nicht der Gesuchte bin. Man würde dann alles versuchen, um weiter zu forschen. Das hat Josef sehr berührt. Er hasste nicht Deutschland. Ein deutscher Soldat hatte ihm sogar das Leben gerettet. Und Rache liegt ohnehin nicht in unserer Familie.

Infolge der Schwierigkeiten seines Lebens oder Überlebens, starb Josef Goldberg kurz nach unserer Wiederbegegnung. Ich konnte noch an seinem Sterbebett das letzte herzinnigste Gebet mit ihm sprechen, und dann zusammen mit seinem Rabbiner die Beerdigung vollziehen. Heute darf ich mit Gewissheit sagen: Auf Wiedersehen, mein Bruder!

Obiges sei mit unsern Freunden geteilt, damit alle, die Israel segnen und für uns beten, uns besser kennen lernen und wissen, dass Gott treu ist und uns bewahrt, seine Zwecke zu erfüllen. Und wir alle umso mehr die Bibel lieben.