An einem Samstagmorgen im Jahre 1983 besuchten mein Vater und ich während einer Vortragsreise durch Europa die große Synagoge in der Reichenbachstraße 27 in München. Die Haftara-Lesung aus den Propheten, die an diesem Schabbat (Sabbat) in Synagogen weltweit gelesen wurde, enthielt die folgenden Verse:
„Ich habe dich [d.h. Israel] einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln. Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der HERR, dein Erlöser. Ich halte es wie zur Zeit Noahs, als ich schwor, daß die Wasser Noahs nicht mehr über die Erde gehen sollten. So habe ich geschworen, daß ich nicht über dich zürnen und dich nicht mehr schelten will. Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer … Keiner Waffe, die gegen dich bereitet wird, soll es gelingen, und jede Zunge, die sich gegen dich erhebt, sollst du im Gericht schuldig sprechen. Das ist das Erbteil der Knechte des HERRN und ihre Gerechtigkeit kommt von mir, spricht der HERR“ (Jes. 54, 7-10.17).
Als der Rabbi an der Reihe war zu sprechen, kommentierte er (ich kann es nach vierzig Jahren nur umschreiben): „Wenn all das Leid, die Verfolgung, der Terror, die Pogrome und Holocausts, die wir erlebt haben, während dieses kleinen Augenblicks stattfanden, in dem der Ewige sein Gesicht abwandte, dann können wir uns unmöglich die unendlichen Segnungen, die Größe und Herrlichkeit seiner ewigen Gnade und Liebe vorstellen, die uns verheissen wurden.“
Es waren unvergessliche Worte. Dies ist unsere Zukunft, unser Ziel und unsere Belohnung, gemeinsam, in seiner Gegenwart.
Lasst uns nicht vor den täglichen Ereignissen verzagen. Seid getrost, lasst euch nicht verzagen, denn er ist mit uns (41, 10). Und mehr noch, lasst uns Botschafter seiner Wahrheiten sein.