Artikel

Gottes seltsame Wahl


Als ich vor 40 Jahren ein Buch vom christlichen Theologen Francis Schaeffer öffnete, war ich schockiert von einem Zitat des britischen Journalisten William Norman Ewer (1885-1977):

How odd of God
To choose the Jews *

Der spöttische Ton des Epigramms schien nahezulegen, Gott habe einen Fehler gemacht. Schaeffer fügte folgende Worte hinzu, die fälschlicherweise oft Anderen zugeschrieben werden:

But not so odd
As those who choose
A Jewish God
Yet spurn the Jews **

In wenigen Zeilen fasst dies die Kämpfe zusammen, die wir als Lema‘an Zion schon seit 1972 für das jüdische Volk kämpfen. Unsere „Waffen“ in dieser Schlacht sind die Bibel, die Geschichte und die Menschenrechte.

In der ganzen freien Welt ist Judenhass heute eine Mainstream-Haltung. Einige Formen des Antisemitismus sind jedoch weitaus tückischer.

In den USA ist die arabische Muslimin Linda Sarsour eine der prominentesten Demokraten. Sie ist überzeugte Feministin, und als heftige Kritikerin Israels unterstützt sie die Boykott-Bewegung (BDS) gegen Israel. Sie ist auch ein Mitglied der Democratic Socialists of America.

Am 05.07.19 tweetete sie ihren 3 Millionen Followern: „Jesus war ein Palästinenser aus Nazareth und wurde im Koran als Mann mit bronzefarbener Haut und lockigem Haar beschrieben.“ Ein Sturm der Entrüstung folgte.

Der Versuch, Jesus für die palästinensische Sache auszunutzen, ist nicht neu. Es gab seit der ehemaligen Herrschaft Jassir Arafat viele solcher palästinensisch-arabischer Behauptungen, Jesus sei Palästinenser, nicht Jude, gewesen.

Den jüdischen Jesus zurückfordern

Was neu ist, sind die vielen Bemühungen in der jüdischen Gemeinschaft, Jesus für die jüdische Seite zurückzufordern. Allgemein erachten die Juden Jesus allerdings trotz seiner jüdischen Herkunft als Gründer eines nichtjüdischen Glaubens, des Christentums.

Dr. Seth Frantzman nannte die palästinensischen Manipulationen „eine Negierung jüdischer Geschichte und einen neuzeitlichen Versuch von Ersatztheologie: Man wolle die historischen, jüdischen Verbindungen zu dem Land von vor 2000 Jahren ersetzen und eine erfundene Geschichte von Palästinensern, statt von Juden, kreieren.“ (Jerusalem Post, 08.07.19)

Er beschuldigte solche Geschichtsverfälscher, Theologie mit Nationalismus zu vermischen und wiederholte, „die Behauptung, Jesus war Palästinenser … wird nur aufgestellt, um die jüdische Geschichte des Landes Israel auszuradieren.

Frantzman wies darauf hin, dass Jesus sogar im Koran „als Botschafter für die ‚Kinder Israel‘ und als Anhänger der Gesetze des Mose gesehen werde. Er wird mit der Vorfahrenlinie Abrahams, Isaaks, Jakobs und den Stämmen Israel verknüpft, sowie mit den Königen David und Salomo.“ Mit anderen Worten, Jesus ist Jude!

Vier Tage später ging seine Redaktionskollegin bei der Jerusalem Post, Liat Collins, einen Schritt weiter und schrieb: „Hier geht es nicht nur um jüdische Geschichte. Dies ändert dann auch nicht mehr so dezent den christlichen Kontext. Wenn Jesus nicht mehr judäischer Jude, sondern Palästinenser ist, und der Tempel nicht mehr jüdisch, sondern irgendwie eine muslimische heilige Stätte war, und das bereits Jahrhunderte vor der Geburtsstunde Mohammeds und des Islam, wie steht es dann mit dem Neuen Testament und mit der Bibel?“

Jeder Pastor würde diesen Worten zustimmen. Mehr noch, der Versuch, Jesus fälschlicherweise als muslimischen Propheten zu bezeichnen, statt als den christlichen Messias, demontiert den christlichen Glauben.

Linda Sarsour: Muslimische Aktivistin der US-Demokraten, Feministin, Kritikerin Israels (FB)

Juden sind unter Beschuss, wurden jahrhundertelang verfolgt, und sogar ihre Geschichte wird in Zweifel gezogen, doch sie werden trotz alledem weiter bestehen.

Während Sarsour ihre falschen Behauptungen aufstellte, wurde in Jerusalem erstmals seit 2000 Jahren eine neu ausgegrabene Straße eingeweiht. Diese führte von der Jerusalemer Davidsstadt in den Tempelbereich. Diesen historischen Weg gingen Millionen Juden empor, um Pessach (Passah), Schawuot (das Wochenfest/Pfingsten) und Sukkot (das Laubhüttenfest) zu feiern. Er ist ein weiterer Beweis für die Verbindung der Juden zur Bibel.

Die Völker planen und sind wütend: „Sie verstehen sich auf ihre bösen Anschläge und reden davon, wie sie Stricke legen wollen, und sprechen: ‚Wer kann sie sehen?‘ Sie denken sich Schlechtigkeiten aus, sie haben eifrig danach gesucht“ (Ps. 64, 6-7).

Der Mensch plant, doch Gott lacht. Seine Wahl ist fundiert. Und kein bisschen seltsam.

* Wie seltsam von Gott, die Juden zu erwählen.

** Doch nicht so seltsam wie jene, die einen jüdischen Gott erwählten und die Juden
schmähen.